Ziel von Naturschutzmaßnahmen ist es, Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie die Artenvielfalt zu erhalten oder wiederherzustellen.

Als Beispiel wird hier unsere Mitarbeit an der Entwicklung eines tidebeeinflussten Flachwassergebietes im Bereich des ehemaligen Spülfelds Spadenlander Busch/Kreetsand, im Rahmen des Tideelbe-Konzeptes der Hamburg Port Authority (HPA) und der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Nord, vorgestellt.

Aufgrund von anthropogen bedingten und natürlichen Veränderungen des Elbästuars, die durch Eindeichungen, Hafenbaumaßnahmen, Fahrrinnenvertiefung und eine Aufweitung des Mündungstrichters bedingt sind, kommt es zu einem verminderten Sedimentabtransport und verstärkten Tidehub im Hamburger Raum. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, wurden von der HPA und der WSD Nord das “Konzept für eine nachhaltige Entwicklung der Tideelbe als Lebensader der Metropolregion Hamburg” entwickelt. Ein Teil dieses Konzeptes ist die Schaffung von zusätzlichem Flutraum zwischen Glückstadt und Geesthacht zur Dämpfung des Tidehubs. Als Pilotprojekt  wurde die Entwicklung eines tidebeeinflussten Flachwassergebietes im Bereich des ehemaligen Spülfelds Spadenlander Busch / Kreetsand im Osten der Elbinsel Wilhelmsburg initiiert.

Das Gebiet an der Norderelbe bot sich an, da hier bereits 1999 eine Rückdeichung erfolgt war. Allerdings lag die Fläche so hoch, dass sie nicht am regelmäßigen Tidegeschehen teilnahm. Lediglich der tiefer liegende Streifen direkt an der Elbe wurde regelmäßig überflutet, so dass sich hier Tide-Auwälder und Tide-Röhrichte entwickelt hatten.  Die Planungen sehen vor, dass ein ca. 30 ha großes Flachwassergebiet entstehend soll, das ohne Beschränkungen am Tidegeschehen teilnehmen kann. Es wird dadurch ein zusätzliches Tidevolumen von 1 Million m³ geschaffen. Neben der hydraulischen Wirksamkeit und Stabilität bzw. Nachhaltigkeit des geplanten Systems, dem integrierten Bodenmanagementkonzept für die zu entnehmenden z.T. belasteten Böden sowie Sicherheit und Erlebbarkeit des neuen Naturraums für die Bevölkerung sind auch naturschutzrechtliche und landschaftsplanerische Aspekte zu berücksichtigen. Unsere Schwerpunkte bei diesem Projekt waren:

  • Untersuchung und Darstellung des Bestandes an Tieren und Pflanzen zur Berücksichtigung arten- und naturschutzrechtlicher Aspekte
  • die Prüfung der Verträglichkeit der Maßnahmen mit den Zielen des NSG und FFH-Gebietes Auenlandschaft Norderelbe
  • die Planung der zukünftigen Landschaftsentwicklung unter Berücksichtigung hydraulischer und wasserwirtschaftlicher Vorgaben

Untersuchung und Darstellung des Bestandes an Tieren und Pflanzen

Zur Darstellung des Bestandes an Flora und Fauna wurden sowohl eigene Kartierungen durchgeführt als auch auf vorhandene Daten zurückgegriffen. Es stellte sich heraus, dass tidebeeinflusste Streifen an der Elbe ein hochwertiger und geschützter Lebensraum ist, in dem jedoch auch anthropogene Einflüsse in Form von Uferbefestigungen und einem relativ ebenen Bodenrelief erkennbar sind. Die Verzahnung zwischen dem Fluss und den amphibischen Lebensräumen ist dadurch nicht so typisch ausgeprägt wie es ursprünglich der Fall gewesen sein dürfte. Auch fehlten kennzeichnende Arten wie z.B. der Seefrosch, der Pirol, die Beutelmeise, die Rohrweihe und der Schierlings-Wasserfenchel. Die Ursachen liegen möglicherweise in allgemeinen Bestandsrückgängen dieser Arten – aber auch an der geringen Größe des Gebietes und der ungenügenden Verzahnung von Land- und Wasserlebensräumen. Erfreulich war der erste Brutversuch eines jungen Seeadlerpaares in Hamburg 2010 in einem alten Bussardnest.

Der Bereich des eigentlichen Altspülfeldes befand sich in einem Sukzessionsstadium, in dem Hochstaudenfluren dominieren, aber bereits einzelne Büsche aufgewachsen sind. Für die meisten Offenlandarten ist die Vegetation zu dicht und verfilzt, es fehlen in weiten Bereichen blühende Kräuter. Für Arten der Gehölze existieren noch keine zusammenhängenden Baum- und Buschbeständen. Gefährdete bzw. geschützte Arten kommen nur vereinzelt vor. Der zwischen Deich und Spülfläche gelegene Graben ist dagegen artenreich besiedelt.

Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von Eingriffen

  • Rodungs- und Bauzeitbegrenzung zur Vermeidung von Tötungen und Störungen von Brutvögeln und Fledermäusen.
  • Absammeln und Umsetzen von Amphibien aus dem Deichgraben in ein neu geschaffenes Gewässer vor Beginn der Bauarbeiten, Aufstellen eines Amphibienzauns während der Bauphase zur Verhinderung der Rückwanderung auf die Fläche.
  • Aufhängen von Fledermauskästen als Ersatzquartiere (Höhlen- und Spaltenquartiere).
  • Errichtung einer Ersatz-Horst-Plattform für den Seeadler im NSG Heuckenlock.
  • Umsetzung der Gebüsche vom Spülfeld auf Flächen außerhalb der Baufläche. 

Planung der künftigen Landschaftsentwicklung

Das Hauptaugenmerk wird auf die Schaffung folgender Funktionsräume gelegt:

Funktionsraum Tide-Auwald (Prioritärer Lebensraumtyp)

  • Lebensraum für die Leitart Beutelmeise
  • Lebensraum für Höhlenbrüter (z.B. Spechte)
  • Quartierstandort für Fledermäuse (z.B. Rauhautfledermaus)

Funktionsraum Tide-Röhricht

  • Lebensraum für den Schierlings-Wasserfenchel
  • Lebensraum für Röhrichtbrüter (z.B. Rohrsänger)
  • Lebensraum für spezialisierte Lauftkäfer- und Nachtschmetterlingsarten

Funktionsraum Süßwasser-Watt

  • Lebensraum für die Krebse, Schnecken, Zuckmückenlarven
  • Nahrungsraum für Enten, Säger, Möwen, Limikolen
  • bei Flut Nahrungsraum für Fische

Funktionsraum Flachwasser mit Prielsystem

  • Rückzugsraum für wandernde Fischarten (z.B. Fluss-, Meerneunaugen, Lachse)
  • Nahrungsraum für Jungfische
  • Lebensraum für FFH-Anhang II-Arten (z.B. Rapfen, Finte)